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Am 22. November hat die Europäische Kommission das Herbstpaket 2018 zum Europäischen Semester veröffentlicht. Es ist der erste Schritt im jährlichen Zyklus der wirtschafts- und sozialpolitischen Koordinierung zwischen den Mitgliedsstaaten und der Kommission.

Den Hauptteil des Herbstpakets bildet der Jahreswachstumsbericht (AGS) der Kommission. In diesem Dokument legt die Kommission die allgemeinen wirtschaftlichen und sozialen Prioritäten der EU für das kommende Jahr fest.

Zentrale Prioritäten des Jahreswachstumsberichts

Der Jahreswachstumsbericht beginnt mit der Feststellung, dass die EU-Wirtschaft stetig gewachsen ist und die Arbeitslosenquote mit 7,5 % nahe dem Niveau vor der Krise liegt. Während Armut und soziale Ausgrenzung allmählich zurückgehen, erreicht der Aufschwung jedoch nicht alle Teile der Gesellschaft. Die Mitgliedsstaaten unternehmen zwar Schritte zur besseren Integration von benachteiligten Gruppen in den Arbeitsmarkt, doch sollte auch einen Anstoß zur Bekämpfung zunehmender Ungleichheiten gegeben werden. Obwohl dies nicht direkt im Jahreswachstumsbericht erwähnt wird, schmälern große Ungleichheiten die Wirtschaftsleistung und das Potenzial für ein nachhaltiges Wachstum.

Die kürzlich verabschiedete Europäische Säule sozialer Rechte (EPSR) ist ein wichtiger Bestandteil des Jahreswachstumsberichts. Den Mitgliedsstaaten wird von der Kommission empfohlen, die EPSR als Kompass für die sozialpolitische Orientierung zu nutzen. Die stärkere Betonung sozialer Fragen und ihre Verbindung mit den Prinzipien der Europäischen Säule sozialer Rechte ist eine erfreuliche Entwicklung, zumal das ESN in der Vergangenheit eine höhere Priorität für soziale Themen gefordert hat.

Bei der Festlegung sozialer Prioritäten betont der Jahreswachstumsberichts die Notwendigkeit angemessener Sozialleistungssysteme, um diejenigen zu unterstützen, denen es an ausreichenden Ressourcen mangelt. Der Jahreswachstumsbericht weist auch auf die Notwendigkeit hin, erschwingliche, verfügbare und qualitativ hochwertige Dienstleistungen wie Kinderbetreuung, Bildung, Wohnen, Gesundheit und Langzeitpflege anzubieten. Auch die Bereitstellung von sozialem Wohnraum und andere
Formen der Wohnförderung wird als unerlässlich für den Schutz von durch Obdachlosigkeit bedrohten Menschen hervorgehoben.

Darauf aufbauend fördert die Kommission die Verknüpfung von Beschäftigungsmaßnahmen und Maßnahmen zur sozialen Integration, die allen gefährdeten Gruppen helfen können. Darüber hinaus stellt der Jahreswachstumsberichts fest, dass viele Menschen auf dem Arbeitsmarkt auf Hindernisse stoßen, einschließlich Diskriminierung oder ein nicht angepasstes Arbeitsumfeld für Menschen mit Behinderung.

Dennoch hebt der Jahreswachstumsberichts hervor, dass Strukturreformen in vielen Mitgliedsstaaten nach wie vor unvollständig umgesetzt wurden und dass die länderspezifischen Empfehlungen (CSRs) allzu oft nur lückenhaft übernommen werden. Dies wurde im jüngsten ESN-Bericht zum Europäischen Semester hervorgehoben, zusammen mit der Frage, ob die länderspezifischen Empfehlungen einseitig auf makroökonomische Disziplin, Defizitabbau und soziale Inklusion durch Beschäftigung ausgerichtet sind. Daher fordern die Mitglieder der Gruppe, dass dem anhaltenden Risiko wachsender Ungleichheit stärkere Beachtung geschenkt und die Priorität des Defizitabbaus mit einem angemessenen Niveau an Sozialausgaben in Einklang gebracht werden sollte.

Unterstützung sozialer Integration: mehr als nur Beschäftigung

Im gesamten Jahreswachstumsbericht stellt die Kommission eine starke Verbindung zwischen Beschäftigung und sozialer Inklusion her, in dem sie beispielsweise feststellt, dass Beschäftigung „nach wie vor der beste Weg aus Armut und sozialer Ausgrenzung ist“.

Das ESN hat sich in seiner Arbeit zum Europäischen Semester seit langem für eine breitere Perspektive der Kommission auf soziale Inklusion eingesetzt, die mehr als nur Beschäftigung in den Blick nimmt – eine Botschaft, die auch für den Jahreswachstumsbericht 2018 relevant bleibt.

Dennoch verweist der Jahreswachstumsbericht 2018 direkter auf die Notwendigkeit, Qualität und Zugänglichkeit einer ganzen Reihe anderer Unterstützungsdienste zu fördern. Das ESN hofft, dass die Kommission auch in den nächsten Schritten des Europäischen Semesters 2018 weiterhin sozialen Fragen Priorität einräumen wird, und weist eindringlich darauf hin, dass soziale Themen nicht zwangsläufig mit Beschäftigung verbunden werden sollten.

Auch begrüßt das ESN, dass die Kommission anerkennt, dass die Wirksamkeit der Jugendgarantie erhöht werden muss, indem sie sich an Jugendliche wendet, die sie am dringendsten benötigen. In einem Artikel für die britische Zeitung „The Guardian“ habe ich mich dafür eingesetzt, dass die Jugendgarantie durch eine Betreuungsgarantie verstärkt wird, die speziell für benachteiligte Jugendliche wie Schulabbrecher, jugendliche Straftäter, junge Migranten und jugendliche Heimabgänger entwickelt wurde.

Europa mit lokalen Gemeinden verbinden

Das ESN hat die Europäischen Semester seit 2014 mit einer Referenzgruppe, die kommunale soziale Dienste vertritt, untersucht. Der jüngste Bericht „Bringing together Europe and local communities: Social services priorities for the European Semester 2018“ [Europa mit lokalen Gemeinden verbinden: Prioritäten sozialer Dienstleistungen für das Europäische Semester 2018] entstand auf Grundlage der Beiträge der Gruppe und hebt hervor, dass trotz verbesserter makroökonomischer Bedingungen weiterhin erhebliche lokale Herausforderungen bestehen. In dieser Analyse werden der Kommission wertvolle Informationen über die soziale Situation auf lokaler Ebene in Europa gegeben, da sie mit den Länderberichten, die im Februar 2018 veröffentlicht werden, den nächsten Schritt des Europäischen Semesters vorbereitet. Eine Übersicht über die Kernaussagen findet sich hier.

Schließlich fordert der Jahreswachstumsbericht eine stärkere Rolle der nationalen Parlamente und Sozialpartner bei der Vorbereitung der nationalen Programme durch die Regierungen. Dennoch verweist die Kommission nicht auf die Einbeziehung regionaler und kommunaler Behörden. Als einen der zentralen Gründe für eine unzureichende Umsetzung hat die ESN-Referenzgruppe zum Europäischen Semester mangelnde Konsultationen mit den Behörden für Soziales auf regionaler und kommunaler Ebene ausgemacht. In Anbetracht der Tatsache, dass Sozialpolitik in den meisten Mitgliedsstaaten dezentralisiert und auf regionale bzw. kommunale Behörden übertragen wurde, sollte diese Frage im Hinblick auf eine bessere Implementierung und eine stärkere Eigenverantwortung in diesem Prozess angegangen werden.

Quellen