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Leistungen für Bildung und Teilhabe (auch ‘Bildungspaket’ oder ‘Bildungs- und Teilhabepaket’ genannt) sind Leistungen, die in Deutschland im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitssuchende, Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz oder der Sozialhilfe hilfebedürftigen Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen neben dem Regelbedarf erbracht werden. Durch die Leistungen soll das menschenwürdige Existenzminimum von Kindern und Jugendlichen durch Teilhabe in Gesellschaft und Bildung sichergestellt werden.


Die Leistungen umfassen einen Zuschuss für die soziale und kulturelle Teilhabe (Kinder- und Jugendvereine, Sport, Musik, etc.), die Finanzierung notwendiger Lernförderung (Nachhilfe), sowie andere Bezuschussungen in den Bereichen Bildung und Betreuung. Die Leistungen werden größtenteils als Sach- und Dienstleistungen, insbesondere in Form von personalisierten Gutscheinen oder Direktzahlungen an Anbieter von Leistungen erbracht. Die bargeldlosen Leistungsformen sollen sicherstellen, dass die Leistungen bei den Kindern und Jugendlichen auch tatsächlich ankommen. Das 2011 eingeführte Gesetz stößt insbesondere aufgrund der komplizierten Einzelfallbearbeitung auf Kritik. Auf die (hierdurch erschwerte) Inanspruchnahme sollen die Kommunen aktiv einwirken. Die erbrachten Leistungen werden zu einem hohen Anteil durch den Bund bezuschusst. Die Abrechnung des Zuschusses erfolgt mit dem jeweiligen Bundesland.


Lokale Implementierung des Bildungspakets in Köln – Herausforderungen und Chancen

Insgesamt ist mit der gesetzeskonformen Leistungserbringung sowie den Statistik- und Abrechnungsanforderungen ein erheblicher administrativer Aufwand auf Seiten der Kommunen verbunden. In Köln werden zwischen der Kommune und Leistungsanbietern Kooperationsvereinbarungen geschlossen, die den Kindern möglichst barrierefreien Zugang zu entsprechenden Angeboten eröffnen und den Aufwand um Antragstellung, Bewilligung und Abrechnung der Leistungen minimieren sollen.


Gerade sozial benachteiligten Kindern und Jugendlichen aus Familien mit geringem Einkommen sollen die Angebote des Bildungs- und Teilhabepakets erschlossen werden. Doch selbst wenn die Finanzierung gesichert ist, besteht insbesondere für Familien mit Migrationshintergrund nicht immer ein barrierefreier Zugang zu Vereinen und Institutionen. Außerdem führt der Aufwand um Antragstellung und die Nachweisverpflichtung nicht selten dazu, dass Kinder und Jugendliche die Leistungen trotz bestehenden Angebotes und Anspruchs nicht nutzen.


Die konkrete Gesetzes-Umsetzung am Projektbeispiel ‘Lernkaskade’ des ‘Chancenwerks’ in Köln

Das Projekt ‘Lernkaskade’ des gemeinnützigen Vereins ‘Chancenwerk’ setzt in der Lebenswelt der Kinder an und greift die Bedarfe auf, wo sie entstehen, nämlich vor Ort in den Schulen. 2015 hat der Verein in 21 bundesdeutschen Städten, in 42 Schulen 2.500 Schulkinder mit einem Team aus 28 Personen und 250 Studenten/innen gefördert. Das Projekt steht unter der Schirmherrschaft der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Frau Manuela Schwesig. Es erhielt zudem zahlreiche Auszeichnungen und verfügt über viel Unterstützung in Politik, Gesellschaft und Wirtschaft.


Chancenwerk etabliert an ausgewählten Partnerschulen die sogenannte ‘Lernkaskade’: Schüler/innen der höheren Jahrgänge erhalten in einem Fach ihrer Wahl einmal wöchentlich kostenfreie Nachhilfe durch eine/n Studenten/in. Im Gegenzug geben sie ihr Wissen unter Anleitung von pädagogisch geschulten Lerncoachs an Kinder und Jugendliche der unteren Jahrgänge weiter. Die älteren Schüler/innen sowie die Studenten/innen nehmen an Workshops und Fortbildungen zu schulspezifischen Themen teil und erhalten hierfür am Ende eines Schuljahres ein Zertifikat. Chancenwerk ist in der Regel an 2 Schultagen pro Woche in seinen Kooperationsschulen vor Ort.


Den teilnehmenden Kindern und Jugendlichen entstehen keine Kosten, wenn sie einen Anspruch auf Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket haben. Der schulische Förderbedarf wird als Anspruchsvoraussetzung für jedes Kind einzeln durch die Schulleitung attestiert. Dieie Willenserklärung der Eltern zur Teilnahme ihres Kindes reicht dafür, dass der Leistungsanspruch ohne weitere Antragstellung oder zusätzliche Wege direkt mit dem Sozialamt der Stadt Köln abgerechnet wird.


Zielstellung und Effekte der ‘Lernkaskade’

Die ‘Lernkaskade’ bewirkt mehr als nur die Verbesserung der individuellen schulischen Leistungen. Sie stärkt den Schulzusammenhalt und verleiht der Schulkultur einen höheren Stellenwert. Gerade durch die Vorbildfunktion der älteren Teilnehmerin/innen mit und ohne Migrationshintergrund erleben die Kinder und Jugendliche eine neue Schulrealität und werden sich ihrer fairen Chance auf die volle Entfaltung ihres Potenzials bewusst. Neben besseren schulischen Leistungen fördert dieses innovative Konzept durch seinen Peer-to-Peer-Ansatz den Ausbau von Schlüsselkompetenzen, das Selbstwertgefühl, die Selbstverantwortung, Teamgeist und gesellschaftliche sowie schulische Integration.


Das Sozialamt der Stadt Köln und der Verein ‘Chancenwerk’ freuen sich auf die Gelegenheit, die besonderen Herausforderungen des Bildungs- und Teilhabepakets sowie das Praxisbeispiel ‘Lernkaskade’ auf der jährlichen European Social Services Conference des ESN in Den Haag vom 20.-22. Juni 2016 einem internationalen Publikum vorstellen zu können.


Autorin: Anja Ramos, Abteilungsleiterin Bildung und Teilhabe und Köln-Pass, Amt für Soziales und Senioren der Stadt Köln.