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ESN-Frühjahrsseminar 2013


Am 18. und 19. April begrüßte ESN 100 ESN-Mitglieder und geladene Gäste aus 19 Ländern auf dem ESN-Frühjahrsseminar 2013 in Helsinki (Finnland). Im Mittelpunkt des Seminars stand die Frage, wie Sozialdienste Menschen mit Behinderungen zu mehr Auswahl und Kontrolle über ihr tägliches Leben verhelfen können.


Zur Eröffnung des Seminars erklärte der ESN-Vorsitzende Lars-Göran Jansson: „Die Betroffenen sollten aktiv an den Entscheidungen zur Gestaltung ihrer persönlichen Unterstützung beteiligt werden. Bei der Versorgung sollte nicht der Träger, sondern der Einzelne im Mittelpunkt stehen.“


In der ersten Sitzung wurden die Maßnahmen zur Förderung von Auswahl und Kontrolle in verschiedenen europäischen Wohlfahrtsstaaten erörtert. Ioannis Dimitrakopoulos von der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte nannte Zahlen aus der EU-Statistik über Einkommen, soziale Eingliederung und Lebensbedingungen, die verdeutlichen, dass 36 % der Menschen mit Behinderungen, aber nur 21 % der nichtbehinderten Menschen in der EU von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht sind.


„Unabhängiges Leben bedeutet nicht, dass wir alles selbst machen wollen und auf niemanden angewiesen sind, oder dass wir isoliert leben möchten. […] Wir möchten in unseren Familien aufwachsen, in die Schule unserer Nachbarschaft gehen, denselben Bus benutzen wie unsere Nachbarn, eine Arbeit haben, die unseren Qualifikationen und Interessen entspricht, und unsere eigenen Familien gründen“, erklärte Jos Huys, Wissenschaftler an der Katholischen Universität Löwen in Belgien.


Aus einer von Martina Plohovits vorgestellten externen Bewertung der Pflegegeldergänzungsleistung für Persönliche Assistenz in Wien ging hervor, wie die Persönliche Assistenz Menschen mit Behinderungen eine Beteiligung am Gesellschaftsleben, eine Erwerbstätigkeit und ein autonomeres Leben ermöglicht. Weitere in der Sitzung erörterte lokale Beispiele für die Gewährleistung von Auswahl und Kontrolle waren das Programm für unabhängiges Leben in der italienischen Region Venezien sowie ein Gutscheinsystem für persönliche Assistenz in der schwedischen Gemeinde Stenungsund.


Ebenso erfuhren die Teilnehmer, wie eine Einbeziehung der Betroffenen zur Verbesserung der Qualität und Gestaltung der Dienstleistungen beiträgt. Tom Raines vom Projekt „Right to control“ der Manchester Area Partnership bezeichnete eine Koproduktion als wesentliche Voraussetzung, um Menschen mit Behinderungen eine Wahrnehmung ihres Rechts auf Kontrolle zu ermöglichen. Anhand des finnischen Projekts „Experten durch Erfahrung“ wurde verdeutlicht, wie Betroffene im Bereich der psychischen Gesundheit zu Experten für ihre eigene Betreuung geschult werden können: „Die Betroffenen behalten trotz ihres psychischen Problems die Kontrolle über ihr Leben“, erklärte Timo Kallioaho, einer der „Experten durch Erfahrung“. Martins Rullis, ein Betroffener aus Lettland, betonte die Wichtigkeit von Informationen zum Treffen von Entscheidungen: „Als ich mit anderen Menschen zusammenzuarbeiten begann, bemerkte ich, dass ihr Leben und ihre Entscheidungen anders beschaffen waren als die von Menschen mit geistigen Behinderungen. Um für uns selbst Entscheidungen treffen zu können, benötigen wir das entsprechende Wissen.“


Bei einer Podiumsdiskussion wurden die Unterschiede bei der Organisation von persönlichen Budgets und persönlichen Assistenzprogrammen erörtert. „Jedes Land entwickelt sich anders, weil es andere Kulturen und Strukturen aufweist; es ist interessant zu beobachten, wie sich die einzelnen Länder im Laufe der Zeit weiterentwickeln“, erklärte Jamie Bolling vom European Network for Independent Living.


In einigen Ländern werden Sach- und Dienstleistungen gekürzt.. Ebenso sprachen die Podiumsteilnehmer über die Kompromisse zwischen dem gesetzlichen Recht auf Auswahl und Kontrolle und die Verfügbarkeit der finanziellen Ressourcen. „Ich hoffe, in ein paar Jahren werden wir rückblickend feststellen, dass wir uns zu einer Gesellschaft hinbewegt haben, die für alle mit mehr Inklusion und Teilhabe verbunden ist“, erklärte John Halloran vom ESN zum Abschluss.


Am zweiten Tag des Seminars erörterten ESN-Mitglieder und Teilnehmer aus den baltischen Staaten, vor welchen Herausforderungen die sozialen Dienste bei der Umsetzung von Auswahl und Kontrolle stehen und welche Unterstützung sie benötigen, um Auswahl und Kontrolle zu gewährleisten. Die Ergebnisse dieser Gruppenarbeit stehen in Kürze im Mitgliederbereich zur Verfügung.


Die Ressourcen und Präsentationen finden Sie hier.