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Ältere Menschen mit Lernbehinderung – eine unsichtbare Zielgruppe

Trotz der verbesserten Lebenserwartung und -qualität im fortgeschrittenen Lebensalter sterben Menschen mit Lernbehinderungen noch immer früher als die Durchschnittsbevölkerung (Männer 13 Jahre und Frauen 20 Jahre), erklärte Dr. Nicki Ward von der Universität Birmingham (siehe Präsentation).

Sie wies darauf hin, dass sozialpolitische Strategien selten den Bedürfnissen von Menschen mit Lernbehinderungen in fortgeschrittenem Alter entsprechen und bestehende Maßnahmen häufig zu kurz greifen, um auf deren Bedürfnisse gezielt einzugehen. Das Planen von Dienstleistungen für diese Altersgruppe stellt eine besondere Herausforderung dar, weil Menschen mit Lernbehinderung eine stark heterogene Gruppe mit verschiedensten Arten von Behinderungen sind.

Auf dem Treffen bildeten die 25 Teilnehmer Gruppen, um an vier unterschiedlichenen Fallstudien zu Menschen mit Behinderungen (Autismus, Downsyndrom, zerebrale Lähmung und Lernbehinderung) zu arbeiten, die im fortgeschrittenen Alter von neuen Problemen wie Demenz oder Diabetes betroffen sind. Unter Berücksichtigung des sozialen Umfelds entwarfen die Teilnehmer einen Pflege- und Betreuungsplan für jede Fallstudie, mit dem die Autonomie der Betroffenen bestmöglich gewahrt und die Versorgung bzw. Betreuung an den Alterungsprozess angepasst wird.

Soziale, physische und psychologische Bedürfnisse

Fürsorgekonzepte sollten das psychische und emotionale Wohlbefinden von Menschen mit Lernbehinderung einbeziehen – insbesondere bei Menschen mit vielfältigen Lernschwierigkeiten, die oft ein vermindertes soziales Netzwerk haben. Ihre Möglichkeiten Kontakte zu knüpfen sind beschränkt, sie sind weniger im Arbeitsmarkt integriert, ihre Lebenssituation ist fremdbestimmt und oft haben sie keine Lebenspartner und/oder Kinder.

Die physischen Bedürfnisse ändern sich für uns alle, wenn wir älter werden. Es gibt allerdings zunehmend Hinweise darauf, dass bestimmte Behinderungen in Verbindung mit sekundären Erkrankungen wie dem früheren Eintreten von Demenz oder Arthritis stehen. Andere Erkrankungen werden unter Umständen später erkannt, da Menschen mit Lernbehinderung nicht immer Zugang zu den gleichen Vorsorgeuntersuchungen und Präventivmaßnahmen haben. Mehr noch: einige vermeidbare Krankheiten wie Diabetes vom Typ 2 können die Folge von Defiziten in der Betreuung von Menschen mit Behinderungen zu einem früheren Zeitpunkt in ihrem Leben sein.

Personenzentrierte Planung

Ein Pflegeplan für Menschen mit Behinderung in fortgeschrittenem Alter sollte deren persönliche Präferenzen berücksichtigen und die aktive Einbeziehung der Betroffenen als einen Schlüsselfaktor für gute Sozialfürsorge betrachten. Einige unserer Arbeitsgruppenmitglieder hoben hervor, dass den sozialen Diensten jedoch oft die finanziellen Mittel, die Flexibilität und entsprechend ausgebildetes Personal fehlten, um eine bestmögliche, personenzentrierte Betreuung sicherzustellen.

Deinstitutionalisierung ist eine wesentliche Voraussetzung, um eine individualisierte Betreuung anzubieten. Dies aber erfordert eine angemessene Bezahlung für die Mitarbeiter und vorbereitete Alternativen.

Integrierte Dienste und ein gemeinsames Fall- und Datenmanagement können dabei helfen, Dienstleistungen an den Bedürfnissen der jeweiligen Person auszurichten. Dies kann über interdisziplinäre Teams gelingen, die von einer ausgewählten Fachkraft koordinierten werden und in der alle erforderlichen Berufsgruppen (Ärzte, Sozialarbeiter, Psychologen, Pflegekräfte) sowie die Betroffenen und Menschen aus deren familiärem und sozialem Umfeld vertreten sind. In der Praxis sollten auch leicht zu lesende Materialien entwickelt werden, um Menschen mit Lernbehinderung in potentiellen Stresssituationen wie einem Umzug oder im Trauerfall nach dem Verlust eines Familienmitglieds zu unterstützen. Schließlich können auch technische Lösungen die Unabhängigkeit erhöhen und den Informationsaustausch verbessern.


Quellen: