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Am 5./6. November haben wir in Manchester unser jährliches Seminar organisiert, welches sich dem Konzept integrierter Pflege widmete und bei dem mehr als 100 Teilnehmer aus 24 europäischen Ländern teilgenommen haben.

Wenn in Europa von der „Integration sozialer Dienste“ reden, werden damit sowohl strukturelle Neugestaltungen als auch eine verbesserte Verwaltung verbunden; z. B. eine einzige verantwortliche Behörde, die für die Auftragsvergabe von sozialen Diensten verantwortlich ist. Einige verweisen stärker auf eine verbesserte Zusammenarbeit zwischen Fachkräften aus verschiedenen Sektoren, die mit denselben Nutzern arbeiten. Und wiederum andere konzentrieren sich eher auf die Integration unterschiedlicher Finanzierungsquellen durch das Bündeln von Budgets oder auf Gemeinschaftsfonds, um einzelne soziale Gruppen mit besonderem Hilfsbedarf zu unterstützen. All diese Aspekte sind wichtig und in der ein oder anderen Form ist das alles Integration, aber werden durch Integration die sozialen Dienste für Nutzer verbessert?


„Integration von sozialen Diensten“ definieren

Aus diesem Grund sollten wir eine gemeinsame Definition haben, wenn wir das Wort „Integration“ benutzen. Im Europäischen Sozialen Netzwerk (ESN) haben wir den Begriff „integrierte soziale Dienste“ als eine Reihe von Aktivitäten definiert, die abhängig von Sektoren, Zielgruppen, und vom Verwaltungskontext umgesetzt werden, um eine effizientere Koordination zwischen sozialen Diensten und verbesserte Ergebnisse für die Nutzer von sozialen Diensten zu erreichen.

So haben wir uns auf dem Seminar mit verschiedenen Erfahrungen beschäftigt, die unterstreichen, wie Veränderungen in der Pflegelandschaft den Nutzern von Dienstleistungen Vorteile bringen könnten, wenn die Unterstützung ganzheitlich ausfällt. Neue integrierte Unterstützung erfordert neue Fähigkeiten und Arbeitsweisen. Daher entwickeln sich neue berufliche Rollenbilder und es werden neue Karrierewege entwickelt. Dies kannn zum Beispiel durch gemeinsame Weiterbildungen erreicht werden, durch die die wechselseitige Zusammenarbeit zwischen öffentlichen sozialen Diensten, sowie dem Bildungs-, Gesundheits-, und Beschäftigungswesen verbessert wird.


Beispiele integrierter sozialer Diensten aus ganz Europa

In Manchester konzentrierte sich die Diskussion auf integrierte, koordinierte und aufeinanderfolgende maßgeschneiderte öffentlichen soziale Dienste; konkret zum Beispiel auf familienbasierte Ansätze, um in in Problemfällen Verhaltensänderungen zu erreichen. Andere Beispielen zeigten die Wichtigkeit von robusten und aktuellen Daten im Treffen von Einzelfallentscheidungen. Eine Evaluierung nach der ersten Phase der Umsetzung des Programms für Problemfamilien („Troubled Families“) zeigt, dass 67 % der als bedürftig eingestuften Kinder diesen Status innerhalb von sechs Monaten nach dem Eingreifen eines Sozialarbeiters überkamen (im Vergleich zu schätzungsweise nur 50 % ohne Eingreifen durch das Programm für Problemfamilien).

Im spanischen Andalusien hat das Netzwerk für Frühintervention bei Kleinkindern mit Entwicklungsproblemen eine Software entwickelt, die allen mit dieser Zielgruppe arbeitenden Fachkräften aus dem Bildungs-, Gesundheits-, und Sozialbereich zur Verfügung steht. Dieses Instrument erlaubt es regionalen Fachkräften, auf die Informationen und Daten zu jedem Kind zuzugreifen, um die Kontinuität in der Betreuung sicherzustellen und um zu vermeiden, dass Nutzer sich vor jedem Mitarbeiter wiederholen müssen.

In Renfrewshire (Schottland) wurden Ganztagsangebote im Bereich der Sozial- und Freizeitangebote für Erwachsene mit Lernbehinderung zusammengeführt, um Plattformen zur Förderung eines gesunden Lebensstils sowie zur Inklusion von Menschen mit Behinderungen zu entwickeln. Die involvierten Sozial- und Gesundheitsdienste sowie eine Partnerogranisation aus dem tertiären Sektor haben zusammengearbeitet, um einen Garten zugänglich zu machen, in dem Erwachsene mit Lernbehinderung Weiterbildungsmöglichkeiten, Beschäftigungsoptionen und persönliche Entfaltungsmöglichkeiten im Rahmen eines sozialen Unternehmens erhalten.

In den Jobcentern in Deutschland sind mehrere Organisationen in einer einzigen Agentur für Dienstleistungen aufgegangen (einschließlich der traditionellen Unterstützung für Arbeitssuchende wie z. B. Beratung und Fortbildung), die gezielte Leistungen für Unterkunft und Heizkosten, psychologische Begutachtung und Unterstützung bei der Kinderbetreuung koordiniert. Zusätzlich gibt es ein Netzwerk zwischen verschiedenen Organisationen, darunter Schulen, Migrationsämter, Jugendfürsorgeeinrichtungen, Arbeitgebervereinigungen sowie karitative Organisationen.

Die Finnische Diensleistungsplattform für ältere Menschen – Kotitori – sammelt alle in Tampere verfügbaren sozialen Dienste von öffentlichen und privaten Anbietern und bietet Beratung an, sodass Nutzer passende Dienste finden können. Kotitori ist eine öffentlich-private Partnerschaft, in der eine private Firma die Software anbietet, während die Kommune die Kosten der Bedarfsanalyse und der Einzelberatung trägt. Nach einer internen Evaluierung seien die Nutzer hochzufrieden, da die Diensleistungsplattform helfe, alle notwendigen Dienste über einen einzigen Anlaufpunkt zu erreichen.

Zusammenfassung

Diese Beispiele zeigen, dass es sich bei der Integration von Diensten sicherlich um einen organisatorischen, administrativen, budgetären, strukturellen oder kulturellen Wandel handelt, im Mittelpunkt des „I-Worts“ stehen jedoch die Menschen. Es ist notwendig, in die Lernstrukturen von Organisationen zu investieren, zum Beispiel in gemeinsame Schulungen sowie auch in die Zusammenarbeit von Fachkräften, z. B. durch Maβnahmen in der Vertrauensbildung oder durch gemeinsame Entscheidungsfindung. Letztendlich aber soll Integration die Lebensqualität von Menschen verbessern.

Zukünftige Arbeit des ESN im Bereich der Integration von sozialen Diensten

Das Europäische Soziale Netzwerk (ESN) hat mit Vilans, einem Institut im Bereich der Langzeitpflege in den Niederlanden, zusammengearbeitet, um aktuelle Literatur und Projekte von integrierten Diensten in Europa zu analysieren. Das Seminar wurde organisiert, um Beiträge der ESN-Mitglieder zu den bisherigen Ergebnissen zusammenzutragen und diese in den Abschlussbericht, welcher Anfang 2016 erscheinen wird, zu integrieren.

Quellen
Mehr über aktuelle Politik zu integrierten sozialen Diensten in Europa lernen
Mehr über aktuelle Literatur und die Forschungslage zu integrierten Diensten in ganz Europa erfahren