‘Die Zukunft ist lokal!’ ist der Titel der Jahreskonferenz 2016 des Europäischen Sozialen Netzwerks gewesen, die vom 20. bis 22. Juni in Den Haag stattfand. Es kamen über 300 Teilnehmer aus 34 Ländern in Europa sowie aus Kanada und Australien.
Zur Eröffnung der Konferenz stellte Jetta Klijnsma, Staatssekretärin im Ministerium für Arbeit und Soziales der Niederlande, die Schlussfolgerungen des Rats für Beschäftigung, Soziales, Gesundheit und Verbraucherschutz zur Bekämpfung Armut und sozialer Ausgrenzung vor. Diese wurden unter Leitung der niederländischen EU-Ratspräsidentschaft von Januar bis Juni 2016 ausgearbeitet. Klijnsma sagte, dass in ganz Europa viel zu viele Menschen lebten, die von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht sind. Menschen, denen es nicht nur an Geld, sondern auch an Chancen fehle.
Da fast die Hälfte der EU-Staaten irgendeine Art von Gebietsreformen durchführt, erwies sich die Verbesserung von sozialen Dienstleistungen auf lokaler Ebene durch Stärkung der Kommunen bei der Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung als Schlüsselthema, um die kommunalen Strategien zur Förderung des sozialen Zusammenhalts zu gestalten und umzusetzen.
Das 'D'-Wort
Die Dezentralisierung sozialer Dienstleistungen war ein zentrales Thema auf der Konferenz. In ganz Europa ist die Dezentralisierung der Erbringung, Finanzierung und Vergabe sozialer Dienstleistungen seit Jahren auf der Agenda. Die jüngsten dieser Reformen wurden 2015 in den Niederlanden eingeleitet. Das Grundprinzip der Dezentralisierung lautet: je mehr Angebote unter Berücksichtigung der Bürger geplant werden, desto mehr entsprechen sie den lokalen Bedürfnissen und Umständen.
Dezentralisierung ist jedoch kein Allheilmittel. Eine zentrale Frage der Teilnehmer war, ob die durch Bedürfnisse von Bürgern angetriebenen Strategien auf kommunaler Ebene zu starken regionalen Unterschieden führen können. Allzu oft erweist sich Dezentralisierung als Synonym für Haushaltskürzungen in den Kommunalverwaltungen, was Auswirkungen auf die gemeindenahe Versorgung hat und Kommunen dazu bringt, sich ausschließlich auf ihre gesetzlich festgelegten Pflichten zu konzentrieren, statt Vorsorge zu betreiben und das Gemeinwesen zu stärken. René Paas, ehemaliger Vorsitzender der Assoziation der Sozialamtsdirektoren in den Niederlanden (Divosa), legte dar, dass „Silodenken, übermäßige Bürokratie und Bestrebungen, die Kommunen zu kontrollieren und ihnen jede Form von Anderssein zu verwehren, entscheidende Faktoren sind, die zum Scheitern von Dezentralisierung führen.“
Kommunen stärken für bessere Ergebnisse
Indem Zuständigkeiten von der Bundes- oder Landesebene auf die kommunale Ebene übertragen werden, kommt es zu einer wachsenden Anerkennung der Rolle von Gemeinden bei der Lösungssuche für die sozialen Herausforderungen. Obwohl Politiker in der Vergangenheit wiederholt versuchten, die Rolle der Kommunen herunterzuspielen, wurde aus den Diskussionen und Vorträgen offensichtlich, dass die Zusammenarbeit und das aktive Einbeziehen von Bürgern und Dienstleistungsnutzern insgesamt zu besseren sozialen Ergebnissen führen kann.
Dies stellt einen Wandel in der Denkweise dar. Das Abwenden von einem paternalistischen Ansatz setzt die Anerkennung des sozialen Kapitals der Kommunen durch einen Prozess voraus, den Cormac Russel (Nurture Development, Irland) als „Paradigma der Gegenseitigkeit“ bezeichnet. Ahmed Aboutaleb, Bürgermeister von Rotterdam, hob hervor, dass Kommunen eine „starke Verwaltung benötigen, die das Talent der Menschen durch einen Sozialvertrag bestärkt und fördert, der die Individuen in die Lage versetzt, aktiv zu sein und ihre lokale Gemeinschaft mitzugestalten.“ Eloy Cuellar vom Madrider Stadtrat stellte die Umsetzung eines neuen Bottom-up-Ansatzes („von unten nach oben“) vor, in dem „die Stadtviertel Entscheidungen treffen, welche dann dem Stadtrat zur Bewertung vorgelegt werden.“
Schließlich forderte Rich Amos, Nutzer sozialer Dienstleistungen und Betroffenenvertreter aus Gloucestershire (England): „Wir müssen Vertrauen in die Menschen entwickeln, um sicherzustellen, dass sie in der Lage sind, etwas zur Gesellschaft beizutragen.“
Kommunale Partnerschaften für soziale Inklusion
Angesichts der Tatsache, dass gegenwärtig 24 % der Menschen in Europa von Armut und Ausgrenzung bedroht sind und dass die öffentlichen Mittel rückläufig sind, wurde in den Diskussionen die Notwendigkeit betont, einen integrierten Ansatz für soziale Inklusion und sozialen Zusammenhalt zu fördern.
Die Sozialteams in den Gemeinden der Niederlande sind ein gutes Beispiel für integrierte Teams von Fachleuten, die in den einzelnen Stadtvierteln eng zusammenarbeiten, um soziale Dienste für diejenigen anzubieten oder zu koordinieren, die eine bestimmte Hilfe in zentraler und leicht zugänglicher Form benötigen.
Botschaften für die Zukunft
In der Abschlussdiskussion trafen Vertreter der EU-Kommission, nationaler und regionaler Verwaltungen, der nationalen Assoziationen der Sozialamtsdirektoren sowie Vertreter aus dem Dritten Sektor und Betroffenenvertreter zusammen, um die zentralen Botschaften zur Gestaltung der kommunalen sozialen Dienstleistungen zu debattieren. Nachfolgend eine Zusammenfassung dieser Diskussion.
1. Während dezentralisierte Dienstleistungen als geeignet befunden werden, besser auf die Bedürfnisse vor Ort einzugehen, erweist sich Dezentralisierung allzu oft auch als Synonym für Haushaltskürzungen in den Kommunalverwaltungen, die Sozialarbeiter lediglich zu ihren gesetzlichen Schutzpflichten anhalten. Daher müssen die Aufgaben neu ausbalanciert werden und es muss Sorge für die Arbeit am Gemeinwesen getragen werden.
2. Es ist ein Paradigmenwechsel notwendig, um sowohl Leistungen als auch Ergebnisse zu messen – mit einem Fall-Management zur Festlegung des Inputs und einem Programm-Management zur Berücksichtigung der Ergebnisse.
3. Auf EU-Ebene sollte die Säule sozialer Rechte einem Lebenszyklusansatz folgen und angemessene Sozialstandards hinsichtlich des Einkommens und sozialer Dienstleistungen berücksichtigen.
4. Auf kommunaler Ebene ist es notwendig, die Indikatoren für die Qualität sozialer Dienstleistungen zu prüfen, einschließlich derjenigen, die die Teilhabe von Nutzern und Bürgern betreffen.
Mehr von der 24. Europäischen Konferenz des Sozialwesens